Januar
2001
Biographie
Heiner Müller
Heiner Müller, geboren am 9. Januar 1929 in Eppendorf
(Sachsen) als Sohn eines sozialdemokratischen Verwaltungsangestellten. Wegen
seiner kommunistischen Gesinnung wird der Vater von den Nationalsozialisten
interniert; lange Zeit ist er arbeitslos. »Die Armut war Gast im Hause der
Eltern. « Müller fühlt sich
als Sachse und Sohn eines »Kommunisten« fremd in Mecklenburg:»Man war
Ausländer.« Schon als Kind kommt Heiner Müller durch seinen Vater in Kontakt
mit Literatur. »Ich habe den ganzen Schiller gelesen[]. Und von da an wollte
ich schreiben.« Ende 1944 wird Müller im »Volkssturm« zum Reichsarbeitsdienst
eingezogen. Nach Kriegsende entkommt er der amerikanischen Gefangenschaft. Er
kehrt in das von russischen Soldaten besetzte Mecklenburg zurück. Müller,
zunächst mit der Entnazifizierung von Bibliotheken beschäftigt, wird Beamter im
Landratsamt in Waren: Er berät Landwirte, die von der Bodenreform durch die
Sowjets betroffen sind. Seine Erfahrungen werden Material für »Die Umsiedlerin«
und weitere Stücke. Später recherchiert Müller immer wieder im Milieu der
Arbeiter und Bauern für seine Arbeiten.
1947 kehrt er mit seiner Familie nach Sachsen zurück, wo er
die Oberschule beendet. Er besucht einen Schriftstellerlehrgang und wird
Mitglied des "Kulturbundes". Müller arbeitet in der Stadtbücherei in
Frankenberg und wird in der SED Literaturobmann. Seine Eltern fliehen 1951 in
den Westen, er geht nach Ostberlin. Dort schreibt er als Redakteur beim
»Sonntag« Rezensionen. Müller lernt Brecht kennen, wird aber nicht am Berliner
Ensemble aufgenommen.
Seit 1950 entstehen erste literarische Texte. Müller
arbeitet beim Literaturverband, später als Redakteur der Monatszeitschrift
»Junge Kunst« und kommt in Kontakt mit jungen DDR-Autoren. Sein erstes Drama,
»Die Schlacht«, beginnt er 1951. »Der Lohndrücker« wird kurz nach seiner
Entstehung veröffentlicht und führt zu Diskussionen, da das Stück den
Anforderungen des sozialistischen Realismus der SED-Kulturabteilung nicht
genügt. »Die Korrektur« wird zunächst verboten. Doch 1959 verleiht die Akademie
der Künste ihm und seiner Frau den Heinrich-Mann-Preis für die beiden Stücke.
Müllers Frau schreibt Kinderbücher und recherchiert für
seine Stücke. Die beiden reisen nach Bulgarien - die erste Auslandsreise.
Müller, der zunächst Auftragsarbeiten verfaßt, wird
Dramaturg am Berliner Maxim-Gorki-Theater. Er schreibt das Drama »Die
Umsiedlerin«, das von Studenten als Auftakt zu einer internationalen
Theaterwoche aufgeführt wird. Die Aufführung des kritischen Stücks wird als
»konterrevolutionärer« Angriff auf den Staat verstanden. Müller wird gezwungen,
eine erniedrigende Selbstkritik zu verfassen. Trotzdem folgt 1961 sein
Ausschluß aus dem Schriftstellerverband. Im gleichen Jahr stellt er »Philoktet«
fertig. Sein Stück »Der Bau« (1964) wird verboten. Unter dem Pseudonym »Max
Messer« schreibt er Honorararbeiten.
Seine Frau Inge wird in den folgenden Jahren zunehmend
depressiv. Nach mehreren gescheiterten Suizidversuchen begeht sie 1966
Selbstmord. Im gleichen Jahr entsteht »Ödipus Tyrann«. Müller heiratet die
Bulgarin Ginka Tscholakowa. Er reist mehrmals nach Bulgarien und verfaßt dort
»Der Horatier«.
1970 schreibt Müller »Mauser« - das Stück bleibt bis zum
Ende der DDR verboten.
1971 bearbeitet er das 1956 angefangene Drama »Germania Tod
in Berlin«.
1972 übersetzt und inszeniert er Shakespeares »Macbeth«.
Zu Anfang der siebziger Jahre wird Müller von der neuen
Intendantin des Berliner Ensembles, Ruth Berghaus, als dramaturgischer
Mitarbeiter engagiert. Sie inszeniert 1973 seine Theaterbearbeitung »Zement«.
1974 schreibt Müller »Die Schlacht« sowie »Traktor«. 1975 reist Müller für neun
Monate in die USA:»Meine Grunderfahrung in den USA war die Landschaft, zum
ersten Mal in meinem Leben hatte ich ein Gefühl für Landschaft, für den Raum.«
Er lehrt an der Universität in Austin, Texas. 1976 wechselt Müller zur Berliner
Volksbühne. 1976/77 entsteht in Bulgarien »Leben Gundlings Friedrich von
Preußen Lessings Schlaf Traum Schrei« sowie »Die Hamletmaschine«. 1978:Zweite
USA-Reise. »Fatzer-Material« entsteht aus einer Brecht-Vorlage. 1979
verarbeitet er Anna Seghers »Das Licht auf dem Galgen« in »Der Auftrag« nach
einem Aufenthalt in Mexiko und Puerto Rico. Müller erhält den Münchner Preis
für Drama für »Germania Tod in Berlin«. »Quartett« entsteht 1981.
Weitere Werke und Daten:
1982:»Verkommenes Ufer Medeamaterial Landschaft mit Argonauten«,
»Quartett«
1984:»Bildbeschreibung. Szenarium«, »Wolokolamsker Chaussee
1«
1985:»Anatomie Titus Fall of Rome«, Georg-Büchner-Preis
1986:DDR-Nationalpreis 1. Klasse
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks wendet sich Müller der
Arbeit als Regisseur und Intendant zu.
1990:Inszenierung »Hamlet / Hamletmaschine« am Deutschen
Theater Berlin.
1991:Inszenierung »Tristan und Isolde« in Bayreuth
1992:Die Autobiographie »Krieg ohne Schlacht« erscheint. In Interviewform diktiert, führt sie zu Kontroversen. Müller wird künstlerischer Direktor am Berliner Ensemble. 1993 wird Müller vorgeworfen, mit der DDR-Staatssicherheit zusammengearbeitet zu haben. Es kommt zu Diskussionen unter den Kulturjournalisten. Müller veröffentlicht das Gedicht »Mommsens Block«. 1995 arbeitet Müller in Kalifornien an »Germania 3. Gespenster am toten Mann«. Er plant, das Stück bis März 1996 zu inszenieren. Doch am 30.12.1995 stirbt Heiner Müller in Berlin an Krebs.