Mai 1995
Den Tod bringen Waffen aus
Der Versuch, eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen, ist in den
Staaten des Nahen Ostens zumeist
gescheitert, dennoch können einige Länder
"Erfolge" vorweisen. So bleiben die meisten
Länder weiterhin auf Rüstungstransfers aus den
High-Tech-Waffenschmieden der Industriestaaten angewiesen. Die BR Deutschland
hat gerade im Bereich der
Rüstungstechnologie - dazu zählen der Anlagenbau, die
Lieferung von Spezialteilen oder der
Ausbildungsbereich - eine wichtige Rolle
gespielt. Nicht ohne Grund sind die bedeutendsten
irakischen Projekte (Munitionsfabriken,
Giftgas-Bunkeranlagen) federführend von bundesdeutschen Firmen koordiniert
worden. Die Fälle illegaler Transfers von Rüstungs-Güter und
militärischem Know-how machen aber nur einen verschwindend geringen Prozentsatz
nicht genehmigter Transaktionen aus. Typischer ist da schon die "legale"
Lieferung von Großwaffensystemen, die in Kooperation mit anderen Ländern hergestellt werden, wie beispielsweise das Kampfflugzeug Tornado. Die Endmontage der
Flugzeuge findet in England statt, so daß die
deutsche Exportgesetzgebung außer Kraft gesetzt und das Endverbleibszertifikat auf Großbritannien ausgestellt ist. Seit ihrer Produktion im Jahr 86'sind diese Flugzeuge nicht nur bei der Royal Saudi Air Force im Einsatz. Auch der "leichte" Jagdbomber Alpha Jet, hergestellt von der Daimler-Tochter Domier und dem französischen Luftwaffenkonzern Dassault Breguet, hat sich zu einem beliebten Exportprodukt
entwickelt: Belgien, Marokko, Nigeria, Kamerun, Togo, die
Elfenbeinküste und der Golfstaat Katar zählen zu den Empfangsländern. Portugal und die Türkei erhalten seit Jahren von der Luftwaffe "ausgemusterte
Maschinen". Ägypten stellt das Flugzeug gleich in Lizenz
her. Wieder erfolgt die Endmontage beim Kooperationspartner, so daß deutsche
Exportgesetze bei den Exporten nicht greifen.
Seit 1945 hat es mehr als dreihundert Kriege gegeben. Es gab keinen Tag ohne Krieg und nur wenige Inseln der Ruhe. Nur zu gut wissen wir, daß der Oberndorfer Waffenproduzent Heckler
& Koch (H&K) zu den deutschen
Rüstungsexportmeistern gehören. Die Geschichte dieser Firma ist mit dem Blut unzähliger Opfer geschrieben. Jahrzehntelang schien das Geschäft um so besser zu
florieren, je mehr Kriege tobten. Noch folgenschwerer als
Oberndorfer Waffenlieferungen in die Kriegsgebiete haben sich deren Lizenzvergaben ausgewirkt. Der Interessenverband "Heckler & Koch &
Bundesregierungen" ist im Handfeuerwaffenbereich zum Weltmeister der
Lizenzvergaben aufgestiegen: Über 20 Nachbaurechte sind für H&K-Waffen vergeben
worden, so daß G-3 Gewehre wie MP5 Maschinenpistolen in Lateinamerika, im Nahen Osten oder in Südostasien millionenfach produziert werden konnten. Das H&K Schnellfeuergewehr G 3 zählt seit Jahrzehnten neben der
russischen Kalaschnikow geblieben - für innen - wie für außenpolitische Zwecke.
Fast jeder dieser Kriege findet mit den Waffen von H&K entwickelten Waffen statt, und nicht umsonst wird das G 3 von Militärs wie Diktatoren liebevoll als "Braut des Soldaten" bezeichnet. Die Bonner
Politik ist nicht nur unehrlich, sie ist
auch leicht
durchschaubar: Um von der Tatsache abzulenken, daß
fast alle bundesdeutschen Waffenexporte mit Genehmigung des
Bundesamtes für Wirtschaft erfolgt sind, wird mit
Zeigefingern auf die vermeintlich "schwarzen
Schafe" gedeutet. Damit soll von der
Realitäten abgelenkt werden: Die "Schwarzen
Schafe" finden sich eben nicht nur bei der
Imhausen Chemie, bei Rheinmetall, H&K oder der Salzgitter Industriebau -
vielmehr sitzen sie am Kabinettstisch in Bonn oder
in führenden Positionen der
Rüstungsindustrie bzw. der Bundeswehr, denn rund 95%
aller Waffen-Transfers erfolgen legal!
So bekommt auch die Türkei weiterhin ihre Waffen.
Traditionell zählt sie zu den größten Günstlingen bundesdeutscher
Rüstungstransfers. Klassisches Argument für die Unterstützung
ist die NATO Verteidigungshilfe. Nach der Wende und der Übernahme eines immensen Waffenarsenals der NVA wurde die Türkei mit
Waffen aus den "Altbeständen" beliefert. BTR-60-Panzer wechselten so
ihren Besitzer, um im Kampf gegen die Kurden ihre Schlagkraft unter Beweis zu
stellen.
Handeln statt schweigen:
Doch verfilzte Strukturen und verkrustetes Denken
sind symtomatisch für unsere Gesellschaft. Denn wo gibt es nicht eine
Industrie, die auf Profitmaximierung und Wachstumsraten setzt? Wo gibt es nicht
die Politiker, die um jeden Preis an der Macht bleiben wollen und dazu den Bund mit den Firmen schmieden? Wo gibt es nicht die Gewerkschafter, die
Arbeitsplätze über alles setzen? Wo liegt der Weg zu einer
humaneren und gerechteren Welt?
Schließlich ist nicht nur das Wirtschaftssystem mit
seiner Ausrichtung auf Gewinnmaximierung das Übel, sondern auch die herrschende Politik, die ihre Macht mutwillig mißbraucht und Demokratie für ihre
eigenen Zwecke instrumentalisiert.
Politiker treffen Entscheidungen. Wollen wir diese Entscheidungen beeinflussen, müssen wir uns engagieren -einmischen, mehr
denn je.
Wir fordern:
-
aktiv
gegen Rüstungsproduktion und Waffenexporte
- kein Völkermord mit
deutschen Waffen
Martin