September 1994
Rassismus alltäglich und normal?
Hier nur ein paar Ereignisse des Sommer'94:
l. Der Pressesprecher des CDU-Innensenators Heckelmann, unterhält
intensive Kontakte mit Rechtsextremen. Er nahm regelmäßig an den sogenannten Dienstagsgesprächen
teil. Nach viel hin und her wird er nach eigenem
Wunsch in der Behörde versetzt. Die CDU steht hinter dem Mann. In der SPD findet sich unter den Abgeordneten keine Mehrheit für den Rücktritt Heckelmanns
und den Bruch der Großen Koalition. Ob hier wohl die
(vor allem) Ost-SPD-Abgeordneten zu sehr an ihre Diäten gedacht haben?
2. Immer mehr kommt die Behandlung der Vietnamesen
auf Polizeiwachen an die Öffentlichkeit (wir berichteten in der letzten Ausgabe über unsere Veranstaltung zu diesem Thema). Die
ehemaligen Vertragsarbeiter müssen sich ausziehen und an
die Wand stellen. Viele berichten von Prügelorgien. Gegenüber
Frauen gibt es Vergewaltigungsversuche auf
deutschen Polizeiwachen. Ein Vietnamese berichtet: Er habe sich ausziehen müssen und in einem Damen-Slip vor den Bullen auf und ab gehen müssen.
3. In Köln wird ein Obdachloser Rollstuhlfahrer von der
Polizei aufgefordert das Betteln auf dem
Marktplatz zu unterlassen und mit auf das Büro zu kommen. Als er sich weigert,
wird er brutal auf dem Boden in das Auto gezerrt. Die
gaffende Menge ist erst erregt über das
"Schicksal des armen Mannes" und widmet sich
als er abgefahren wird wieder dem
Einkaufsbummel.
4. Die Liste ließe sich beliebig weit ausdehnen. In Buchenwald
Nazi-Randale, Angler werden krankenhausreif
geprügelt, Campern ergeht es ebenso, deutsche
Richter bezeichnen den NPD-Chef als Ehrenmann, Bundeswehrsoldaten
grölen in Brandenburg Nazilieder und zeigen den
Hitlergruß... Erst wenn das Ausland Aufmerksam
wird geht ein Gejaule durch die deutsche Presse. Wenn es ganz hart kommt, werden evtl. kurzfristige
personelle Konsequenzen getroffen. Ansonsten werden bis in die
konservative Mitte rechtsradikale
Denkschemen übernommen. Auffällig ist, daß erst nach 1989 der Rechtsextremismus erstarkt ist. Meiner Meinung konnten Nazis
erst durch die Enttabuisierung bestimmter
Themen durch die Konservativen so stark
werden. Da wurde von zwei deutschen Diktaturen geredet. Dieser Vergleich mit der DDR ist schon eine üble Verniedlichung des Hitlerterrors. Da kam die Blut und Boden Theorie wieder hoch, in Deutschland wäre einfach kein Platz mehr (Das Boot ist voll).
Auch hier ließen sich wieder endlos viele
weitere Beispiele finden, die ich euch aber
ersparen will.
Doch was passiert? Um mir viele Worte zu
ersparen: Nichts. Oder, fast nichts. Die
Öffentlichkeit nimmt es zur Kenntnis und geht zum
Alltag über. Die einzigen die sich wehren
sind die Betroffenen. Eine Entsolidarisierung hat sich bis in die Linke hinein breitgemacht., daß einem Angst und Bange wird. Anscheinend gehören Ausländer und
Obdachlose in den Köpfen der Deutschen nicht mehr zur Gemeinschaft. Oder der
Abhärtungsgrad gegenüber Schreckensmeldungen ist so gewachsen das man es nicht
mehr hören kann oder will? Doch hinter den
Meldungen verbergen sich Menschen!
sk
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