Ariel Sharon, eigentlich Ariel Scheinerman, wurde
1928 in Kfar Malal bei Tel Aviv geboren. Er wuchs in einer landwirtschaftlichen
Genossenschaft jüdischer Einwanderer auf und trat in seiner Jugend schon der
Haganah (der jüdischen paramilitärischen Untergrundorganisation während der
britischen Mandatszeit) bei. In den fünfziger Jahren studierte er in Jerusalem
und Tel Aviv Geschichte, Orientalistik und Jura und besuchte die britische
Militärakademie Camberley Staff College.
1953 gründete Sharon die Unit 101, eine
Eliteeinheit, die auf Vergeltungsschläge gegen palästinensische Fedayinübergriffe
spezialisiert war. Die Einheit griff u.a. das jordanische Dorf Qibya an, wobei
über 60 Zivilisten starben.
Seit dieser Zeit machte er in der israelischen Armee
Karriere. 1973 quitierte er kurzfristig den Armeedienst, nachdem er seine
Chancen, jemals zum Oberbefehlshaber zu avancieren, realistischerweise als sehr
gering einschätzte. Zwar diente er in allen Kriegen und galt als geschickter
Taktiker, doch wurden gegen ihn auch mehrere Disziplinarverfahren geführt.
Im gleichen Jahr begann seine politische Karriere.
Er wurde als Abgeordneter des konservativen Likud-Blocks in die Knesset
(israelisches Parlament) gewählt. Seine Bindung an den Likud-Block war jedoch
nicht stark und er verließ das Parlament und das Parteienbündnis um bei
Ministerpräsident Rabin (israelische Arbeitspartei) von 1975-77
Sicherheitsberater zu werden.
Als Landwirtschaftsminister und Vorsitzender des Ministerialkomitees
für jüdische Siedlungen in den besetzten Gebieten trat er dem Kabinett von
Menachem Begin (Likud-Block) bei. In dieser Position unterstützte er die
religiös-orthodoxen Siedler von Gush Emunim (Block der Getreuen), die nicht
allein eine Siedlerorganisation, sondern auch eine religiöse
Erweckungsbewegung, eine zionistische Gemeinschaft, eine Interessengruppierung
und eine Verwaltungsbehörde in den besetzten Gebieten darstellt. Die Bedeutung
dieser Siedlerorganisation besteht aber vor allem darin, die Trennung zwischen
traditionell religiösen und säkularen nationalen Lager in der Politik zu
durchbrechen. Der radikale Kern versucht die palästinensisch besiedelten
Landstriche durch viele kleine jüdische Siedlungen zu durchsetzen und die
rechte Parteienlandschaft an sich zu binden, um sie auf eine ganz Palästina
umfassende Politik eines "Groß-Israel" festzulegen.
Obwohl Sharon selbst nicht religiös ist,
unterstützte er diese religiös-orthodoxe, man könnte auch sagen fundamentalistische
Position und hat als Knessetabgeordneter schon 1973 den Sharon-Plan vorgelegt:
die Annexion der besetzten Gebiete unter Auslassung palästinensischer
städtischer Ballungsgebiete. Zu diesem Zweck propagierte er den Ausbau eines
dichten, flächendeckenden Siedlungsnetzes.
In der zweiten Amtszeit von Begin (1981-84) wurde er
Verteidigungsminister und leitete die Invasion in den Libanon, die sich durch
Lebensmittelembargo und Bombardierung Beiruts auszeichnete. Seine Truppen hatten
u.a. das Hauptquartier der PLO von Arafat umstellt; nur auf Druck der USA
musste Sharon den palästinensischen Führern freies Geleit einräumen und die
PLO-Leitung wurde nach Tripolis verlegt. Indirekt war er auch für die Massaker
in den palästinensischen Flüchtlingslagern am Rande Beiruts Sabra und Shatila
im September 1982 verantwortlich. 800 oder mehr (israelische und
palästinensiche Quellen geben unterschiedliche Zahlen an) Menschen wurden von
christlich-libanesischen Milizen ermordet. Es waren israelische Soldaten die
mit Einwilligung Sharons den Milizen den Zugang zu den Flüchtlingslagern
ermöglichten. Durch die Aufklärungsarbeit einer unabhängigen
Untersuchungskommission, die Sharon mitverantwortlich machte, musste er als Verteidigungsminister
zurücktreten. Als Minister ohne Geschäftsbereich blieb er jedoch im Kabinett
Begin. Seiner weiteren politischen Karriere tat der Bericht der
Kahan-Kommission keinen Abbruch.
In der Regierung der "nationalen Einheit"
(israelische große Koalition) ernannte ihn Shimon Peres 1984 zum Handels- und
Industrieminister, später wurde er Bauminister und so erneut für den
Siedlungsbau verantwortlich.
Schließlich kreierte Netanyahu (Likud-Block) in
seiner rechtskonservativen Regierung speziell für ihn 1996 das Nationale
Infrastrukturministerium, dessen Aufgabe es war, den Siedlungsbau
voranzutreiben. Zwei Jahre danach wurde Sharon sogar zum Außenminister ernannt,
um den Forderungen der rechtesten Kreise innerhalb von Netanyahus Koalition
gerecht zu werden. Im September 1999 schlug er den viel jüngeren
Rechtspopulisten mit Ministerpräsidentenbonus Netanyahu und wurde zum neuen
Parteivorsitzenden des Likud-Blocks gewählt. Ein sicheres Anzeichen für einen
weiteren Rechtsruck innerhalb des konservativen Bündnisses.
Sharon, ein Meister der politischen Provokation wie
beispielsweise sein Wohnsitz im arabischen Ostjerusalem zeigte, der rund um die
Uhr bewacht werden musste, besuchte demonstrativ während der Geheimverhandlungen
um den Status Jerusalems (Camp David II), Ende September 2000 den Tempelberg,
auf dem das moslemische Heiligtum, die Al-Aqsa-Moschee steht, und löste dadurch
die Al-Aqsa-Intifada aus. Daraufhin führte Barak (Arbeitspartei) im Oktober
Verhandlungen mit der rechtsgerichteten Opposition zur Bildung einer Notstandsregierung.
Diese Verhandlungen verliefen jedoch erfolglos; statt dessen kündigte Barak im
Dezember überraschend seinen Rücktritt an, stellte sich jedoch gleichzeitig
wieder als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten bei den kommenden
Neuwahlen zur Verfügung.
Likud-Führer Sharon konnte sich wiederum gegen
Netanyahu durchsetzen und gab bekannt, bei den Wahlen im Februar 2001 gegen
Ehud Barak zu kandidieren. Die rechte Opposition unter Sharon ließ Ende Dezember
2000 verlauten, ein Friedensabkommen zwischen Israel und den Palästinensern
nicht anzuerkennen, sollte es die Teilung Jerusalems und die Aufgabe der
israelischen Souveränität über den Tempelberg beinhalten. Unter einem
Ministerpräsidenten Sharon würde außerdem keine einzige israelische Siedlung in
den besetzten Gebieten abgebaut werden, gäbe es kein palästinensisches
Rückkehrrecht für die Flüchtlinge und würde das Westjordanland effektiv in drei
"Homelands" unterteilt, wobei das Grenzgebiet zu Jordanien aus
Sicherheitsgründen unter israelischer Hoheit verbleiben solle.
Obwohl die Wahrscheinlichkeit gegen null tendiert,
auf dieser Basis einen umfassenden und gerechten Frieden mit den Palästinensern
schließen zu können, erzielte Sharon bei den vorgezogenen Wahlen im Februar
2001 einen erdrutschartigen Sieg mit einem Vorsprung von über 20% vor Ehud
Barak. Die Wahlbeteiligung von 62% war die geringste in der Geschichte Israels.
Der von Sharon seit März 2001 geführten
Koalitionsregierung der nationalen Einheit gehören neben dem Likud, der
Arbeits- und der Zentrumspartei vor allem rechts-nationalreligiöse Parteien an.
Sharon ist trotz – oder gerade wegen – seiner Politik ein Populist, der es
vermag, das extrem rechte, nationalistische und das orthodox-religiöse Spektrum
in Israel für sich zu gewinnen. Der Frieden wird wohl unter diesem Manne noch
auf sich warten lassen!
Informationen vor allem aus: Nahost Lexikon,
Heidelberg 2001